Gehaltstransparenz: Darf ich über mein Gehalt sprechen?
In jeder Gesellschaft herrschen bestimmte kulturelle Regeln vor. Ein Beispiel dafür ist die Verschwiegenheit über Geld und somit auch über das Gehalt. Wenn Sie nicht mit Ihren Kollegen über das Gehalt sprechen, sind Sie nicht allein: In Deutschland vermeiden fast 50 Prozent der Arbeitnehmer dieses Thema. In Schweden hingegen ist das Arbeitseinkommen für jedermann über das Internet öffentlich einsehbar, was hierzulande unvorstellbar wäre.
Tabuthema Gehalt: Was sind die Gründe?
Es gibt mehrere Gründe für die deutsche Verschwiegenheit. Viele Menschen befürchten, dass ihre Kollegen neidisch werden, wenn sie über das Einkommen Bescheid wissen. Doch auch das umgekehrte Szenario kann dafür sorgen, dass Sie andere Mitarbeiter in Ihrem Betrieb lieber nicht nach ihrem Einkommen fragen. Sie könnten schließlich feststellen müssen, dass Ihr Kollege trotz vergleichbarer Qualifikation mehr Gehalt bekommt als Sie. Dann ist Frust vorprogrammiert, der Ihre Stimmung und Motivation verschlechtern kann.
Ein weiterer Grund ist im Arbeitsvertrag zu sehen, genauer gesagt in einer Verschwiegenheitsklausel. Mit diesem Passus im Vertrag kann Ihr Arbeitgeber Ihnen untersagen, inner- und außerhalb des Unternehmens über Ihr Gehalt zu sprechen. Das hat für Ihren Arbeitgeber Vorteile, denn dank der Verschwiegenheitsklausel muss er sich für unterschiedliche Gehälter trotz gleicher Leistung nicht erklären. Ebenso macht er sich für gerichtliche Prozesse wegen Lohnungleichheiten zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern unangreifbar.
Ob eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag rechtswirksam ist, kann im Zweifelsfall nur ein Gericht entscheiden. Die Richter des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern haben im Jahr 2009 in einem Fall entschieden, dass die Verschwiegenheitsklausel unwirksam ist, weil es sich beim Gehalt nicht um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis handelt (Az. 2 Sa 183/09). Dies lässt sich jedoch nicht verallgemeinernd auf sämtliche Arbeitsverträge mit einer diesbezüglichen Formulierung übertragen.
Mit wem dürfen Sie über Ihr Gehalt sprechen?
Solange keine gültige Verschwiegenheitsklausel in Ihrem Arbeitsvertrag vorliegt, dürfen Sie mit Ihren Kollegen über Ihr Gehalt sprechen. Mit Betriebs- oder Personalrat dürfen Sie sich ebenfalls über Ihr Gehalt austauschen, sofern es Ihnen dabei um Fragen der Eingruppierung geht. Möglicherweise haben Sie die Vermutung, dass Sie in die falsche Stufe des Tarifvertrags eingruppiert wurden. Dies dürfen Sie mit dem Betriebsrat besprechen, auch wenn Ihr Arbeitsvertrag eine Verschwiegenheitsklausel enthält.
Was bedeutet Gehaltstransparenz und welches Gesetz befasst sich damit?
Mit Gehaltstransparenz ist gemeint, dass Sie und Ihre Kollegen den Lohn nicht individuell mit Ihrem Arbeitgeber aushandeln. Stattdessen gelten bestimmte Regeln, die auf alle Arbeitnehmer in einem Unternehmen angewendet werden. Anhand dieser Kriterien wird festgelegt, wer wie viel verdient – unabhängig von Verhandlungsgeschick, persönlichen Beziehungen und Geschlecht.
In Deutschland gilt seit 2017 das Entgelttransparenzgesetz. Es besagt, dass Sie Ihrem Arbeitgeber gegenüber das Recht auf Auskünfte über die Gehaltsstrukturen haben. Hintergrund ist der sogenannte Gender-Pay-Gap, also die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen mit ähnlicher Tätigkeit. Zwar ist diese Ungleichheit in den letzten Jahren langsam gesunken, doch durch das Entgelttransparenzgesetz erhofft die Politik sich eine schnellere Veränderung in der Unternehmenskultur.
Das sollten Sie über das Entgelttransparenzgesetz wissen:
- Es greift nur, wenn das Unternehmen mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt.
- Eine weitere Voraussetzung ist aus datenschutzrechtlichen Gründen, dass Ihr Arbeitgeber mindestens sechs Arbeitnehmer heranziehen können muss, die eine ähnliche Tätigkeit ausüben wie Sie selbst.
- Bei mehr als 500 Mitarbeitern muss das Unternehmen von sich aus prüfen, ob alle Mitarbeiter vergleichbar entlohnt werden, und dies in einem Bericht darlegen.
Wenn Sie also in einem Betrieb mit weniger als 200 Arbeitnehmern beschäftigt sind, gilt das Entgelttransparenzgesetz nicht für Sie. Allerdings könnte das deutsche Entgelttransparenzgesetz durch eine EU-Richtlinie ausgeweitet werden. 2021 wurde durch die Kommission der EU ein Entwurf für eine bessere Gehaltstransparenz erarbeitet. Dieser sieht unter anderem vor, dass Unternehmen Bewerbern im Vorfeld mitteilen müssen, wie viel sie genau verdienen werden, wenn sie die Stelle annehmen. Bisher wurde der Entwurf jedoch nicht angenommen.
Darf der Arbeitgeber Ihnen als Arbeitnehmer verbieten, über Ihr Gehalt zu reden?
Zuvor haben Sie erfahren, dass im Arbeitsvertrag eine Klausel enthalten sein kann, die Sie zur Verschwiegenheit über Ihr Gehalt verpflichtet. Grundsätzlich hat Ihr Arbeitgeber das Recht, Ihnen zu untersagen, mit Kollegen und anderen Personen über Ihren Lohn zu sprechen. Allerdings gilt das nur, wenn davon auszugehen ist, dass dem Unternehmen durch das Bekanntwerden Ihres Gehalts ein Schaden entsteht.
Ein Beispiel dafür kann sein, dass Sie als Manager beschäftigt sind und Ihren Kollegen in Ihren Verdienst einweihen. Dieser gibt die Information nach außen weiter. Dadurch erfährt die Konkurrenz von Ihrem Gehalt und kann dadurch Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation Ihres Betriebs ziehen. Potenziell können dadurch Gerüchte entstehen, die sich bis zu Investoren fortsetzen – mit der Folge, dass diese Kapital zurückhalten. In diesem Fall wäre Ihrem Arbeitgeber ein Schaden entstanden, weil Sie als Arbeitnehmer mit einem anderen Mitarbeiter über Ihr Gehalt gesprochen haben.
Pauschale Verbote im Arbeitsvertrag sind allerdings, wie zuvor bereits festgehalten, meistens unwirksam. Arbeiten Sie jedoch in einer gehobenen Position, so kann Ihr Arbeitgeber Ihnen verbieten, Ihr Gehalt bekannt zu geben, und hat dabei das Recht auf seiner Seite.
Welche Vorteile hat es, wenn Arbeitnehmer über ihr Gehalt reden?
Gehaltstransparenz soll zu mehr Zufriedenheit und Gemeinschaftsgefühl zwischen den Kollegen führen. Das kann das Betriebsklima verbessern, sofern die Gehälter angemessen und fair sind. Gerüchten und Neid wird durch die Offenheit von vornherein der Nährboden entzogen.
Ein weiterer Vorteil: Wenn jeder weiß, was der andere verdient, können Arbeitgeber eine ungleiche Entlohnung nicht hinter einer Verschwiegenheitsklausel verstecken. Das bietet Ihnen als Arbeitnehmer eine bessere Verhandlungsposition, sofern Sie weniger als Ihre Kollegen mit ähnlichen Aufgaben verdienen. Allerdings sollten Sie in dieser Situation nicht direkt auf Ihre Kollegen verweisen, um diese nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Stattdessen ist es empfehlenswert, auf Ihre Leistungen abzustellen. Zusätzlich können Sie darauf aufmerksam machen, welche Vorteile Ihr Arbeitgeber durch Ihren hohen Einsatz gewonnen hat, etwa gestiegene Umsatzzahlen.
Durch Gespräche mit Ihren Kollegen können Sie zudem wichtige Informationen erhalten, wenn Sie vermuten, dass bei Ihnen eine Lohndiskriminierung vorliegt. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn Sie genau dieselben Voraussetzungen mitbringen wie ein Kollege, etwa den gleichen Bildungsabschluss und ein ähnliches Alter, aber trotzdem deutlich weniger verdienen. Hier lohnt sich möglicherweise eine arbeitsrechtliche Beratung.
Der Arbeitgeber selbst kann ebenfalls davon profitieren, wenn Sie und Ihre Kollegen sich über das Gehalt austauschen. Sofern die Gehälter leistungsgerecht und zeitgemäß sind, können Fachkräfte über den Freundeskreis auf das Unternehmen aufmerksam werden und sich bewerben. Dadurch steht dem Betrieb eine größere Auswahl an potenziellen Kandidaten zur Verfügung, sodass es einfacher wird, geeignete Bewerber zu finden.